Anno Anno

Brachmanns Galeron
11.07.2008 – 31.08.2008

Malgorzata Neubarts Bilderzyklus Anno, Anno zeigt eine Reihe von Landschaftsbildern und Portraits.
Das einzige großformatige Bild zeigt eine Waldlandschaft, bei der von der Bäumen nur die kahlen Stämme zu sehen sind. Äste liegen auf dem Boden und bilden dort ein ornamentales Muster, das kaum merklich den Waldboden überzieht. Auf diesem Bild ist die Landschaft stumm und menschenleer. Das Muster der Äste bildet einen verzweigten Weg, der möglicherweise nirgendwo hinführen wird.

Dieser Darstellung einer Landschaft in ihrer Tendenz zu Leere und Abstraktion stehen im Zyklus Anno, Anno Bilder von Menschen gegenüber. Obwohl unterschiedlich in ihrem Ausdruck zeigen alle Portraits einen einzelnen Menschen im Zustand eines unnahbaren Gefühls. Genau ist an den Gesichtern nicht auszumachen, ob in ihren Mienen Trauer, Scham oder Verklärung zu lesen ist. Die Augen in allen Gesichtern sind geschlossen oder haben sich in der Unschärfe des Bildes verloren. Die geschlossenen Augen lassen an den Tod und Bilder von Totenmasken denken; zugleich aber auch an einen Zustand höchster Lebendigkeit: dem Außen entrückt in einer Welt eigener Gefühle und Fiktionen.

Die Menschen auf den kleinformatigen Portraits entstammen Malgorzata Neubarts näherer Umgebung. Es sind Freundinnen und Freunde; zum Teil Selbstportraits. Mehrmals taucht in den Bildern ihre in Warschau lebende Schwester Anna auf. Der Ausstellung Titel Anno, Anno bedeutet auf polnisch den zweimal wiederholten Ruf des Namens Anna, in direkter Anrede an die gesprochene Person gerichtet.
Auf zweien der Portraits ist die Schwester als eine Person abgebildet, die mit ihren Händen ein gerahmtes Bild umfasst und vor ihrem Körper hält. Das Motiv der Bildpräsentation ist aus dem rituellen Umgang mit Sakralobjekten bekannt. In den hier gezeigten zwei Portraits wird aber auch die Doppelbedeutung der Geste des Präsentierens, Zeigens eines Bildes deutlich: Die Materialität des Bildes dient zugleich als distanzierender Schutz, hinter dem sich ein Körper verstecken oder vor Verletzungen bewahren kann.

Text: Thomas Gann, Juli 2008